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Makroökonomische Zyklen, zeitlich begrenzte Schockwellen, aber auch disruptive Innovationen führen immer wieder dazu, dass Unternehmen ihre eigenen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen (müssen).
In diesem Artikel gebe ich eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Konzepte des "Unendlichen Spiels" (Simon Sinek) und stelle Verbindungen zur aktuellen Arbeitswelt her.
Zuerst die unerfreuliche Nachricht: Eine resiliente Organisation entsteht nicht über Nacht, auch nicht in wenigen Monaten. Sie ist viel mehr das Ergebnis unzähliger Maßnahmen, besonders aber ist Resilienz geprägt von (und erkennbar an) der Haltung der einzelnen Menschen im Unternehmen.
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Kanadische Regierung, die unter anderem folgende Prinzipien für ihre Mitarbeiter*innen im Home Office veröffentlicht hat [Quelle: https://twitter.com/slavetothehat/status/1259978637266366465]:
Sicherheit vermitteln, Mitarbeiter*innen auf einer persönlichen Basis ansprechen, Gemeinschaftsgefühl nicht nur mit Plakaten an den Wänden verkünden, sondern vorleben – das alles sind klare Signale für eine starke Loyalität zueinander.
Eine solche positive, menschenzentrierte Einstellung braucht Zeit zum Wachsen, aber dann ist sie robust und währt lange. Zum Vorteil aller im Unternehmen.
Wie diese Grundhaltung die kontinuierliche Innovation begünstigt, wurde unter anderem von Jurgen Appelo und Simon Sinek untersucht.
Die endliche Einstellung
Simon Sinek beschreibt in seinem Buch “Das unendliche Spiel” zwei unterschiedliche Mentalitäten: Die eine nennt er endlich, die andere unendlich.
Grundlage dieser Unterscheidung ist die Beobachtung, dass es Spiele mit bekannten Teilnehmern, definierten Regeln und einer vorgegebenen Zeit gibt [vgl. James P. Carse, “Finite and Infinite Games”, 1986]. Ziel bei endlichen Spielen ist zu gewinnen.
Unabhängige Schiedsrichter stellen sicher, dass nach den Regeln gespielt wird. Am Ende der Spielzeit steht fest, welche Spieler gewonnen haben. Brettspiele fallen ebenso in diese Kategorie wie Laufwettbewerbe oder die meisten Mannschaftssportarten. Diese Art von Spielen haben für viele Menschen einen hohen Unterhaltungswert, einige davon sogar Suchtpotential.
Unternehmen und die darin agierenden Führungskräfte, die mit einer endlichen Einstellung ihren Geschäften nachgehen, verfolgen oft ein Ziel - nämlich den Sieg: Sieg über die Mitbewerber, Sieg über die Verhandlungspartner oder Ähnliches. Dazu definieren sie für einen willkürlichen Zeitraum willkürliche Kennzahlen, die ihnen erlauben, das Erreichte eindeutig als Sieg zu definieren.
Einige Beispiele:
Diese Kombinationen aus Kennzahlen und Zeiträumen bergen zwei Arten von Fallen:
Persönlich halte ich es für geradezu absurd anzunehmen, dass der Unternehmenszweck (“Grund der Existenz”) im Erreichen einer bestimmten Kennzahl zu einem festgelegten Zeitpunkt liegt. Ich behaupte sogar, dass eine solche Quartals-KPI-Fixierung die Innovationskraft des Unternehmens mindert. Warum? Wo alle Mitarbeiter*innen ständig Gefahr laufen, dass sie aufgrund der Nichterreichung einer willkürlichen Metrik in existentielle Not geraten, wächst kein Vertrauen. Der Teamgeist wird perforiert, Fehler werden unter den Teppich gekehrt. Das Anheuern neuer Talente wird schwieriger. Alles zusammen also kein guter Rahmen für Experimente, Feedback, Mut und andere Zutaten für Innovation.
Und jetzt kommt die gute Nachricht: Es gibt eine Alternative.
Das unendliche Spiel
Simon Sinek vertritt die These, dass wir ebensogut in einer anderen Realität leben könnten. In seiner Vision stellen herausragende Führungskräfte ihre Organisationen für Generationen auf - also für Zeithorizonte, die weit länger andauern als ihre eigene Schaffensperiode.
Wie Carse beschreibt er das unendliche Spiel (von dem es nur eines gibt!) so, dass im Laufe der Zeit die Spieler ebenso wechseln wie die Regeln. Ziel beim unendlichen Spiel ist es im Spiel zu bleiben.
Niemand weiß präzise, in welchem Zustand sich das Gesamtsystem des unendlichen Spiels befindet. Daher prägt der jeweilige Kontext die Akteure und das Reglement.
Und dafür muss man Anpassungsfähigkeit entwickeln; Widerstandsfähigkeit ist hier wichtiger als Stabilität.
Veränderung ist Neustarten in Serie
Resiliente Unternehmen überprüfen regelmäßig ihre Umwelt - es ist unwahrscheinlich, dass ein Produkt unabhängig von Marktsituation und Funktionalität für alle Personengruppen und jederzeit gleich nützlich ist. Die zyklische Justierung des Business-Market-Fits ist Gewohnheitssache, die wir schon seit langen z.B. mit "inspect & adapt" in der Praxis sehen.
Im unendlichen Spiel werden laufend die Aktionen der anderen Spieler in der Umgebung beachtet. Hierbei ist aktuelles, jüngeres Wissen meist wichtiger als historische Erkenntnisse: Wo eine gegnerische Figur vor 73 Zügen stand ist nicht so relevant wie der momentane Spielzustand; der anhaltende Trend ist dem einmaligen Extremereignis überlegen.
Simon Sinek schreibt: “In einem unendlichen Spiel setzen sich die Mitspieler dafür ein, dass das Spiel auch für andere weitergeht.”
Aus dieser Mentalität heraus entwickeln sich langlebige Beziehungen sowohl für die Mitarbeiterinnen als auch für die Nutznießerinnen. Das Personal sucht Lösungen, die dem Bestand des Unternehmens zuträglich sind. Loyale Kund*innen nehmen für den Erwerb der Produkte sogar Umwege oder höhere Preise in Kauf. Die Organisation wird resilient.
Resiliente Unternehmen haben zeitgleich diverse Geschäftsmodelle in unterschiedlichen Reifegrade. Es gibt für jede Phase geeignete Methoden und Kennzahlen - aber keine Methode und keine Kennzahl überdauert den gesamten Lebenszyklus eines Geschäftsmodells. Genau wie beim unendlichen Spiel müssen Unternehmen in guten Zeiten Vorkehrungen treffen, um auch bei geänderten Rahmenbedingungen bestehen zu können. Unternehmen, die sich auf das unendliche Spiel einlassen, brauchen das Ende eines Geschäftsmodells nicht zu fürchten.
Ihre Meinung dazu interessiert mich - sprechen Sie mich gerne an!
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